... aus der Unterführung Menzinger- / Maria-Ward-Straße in München
Wandgemälde aus der Dose
Der Münchner Graffiti-Künstler Loomit spricht über seinen Beruf
Loomit, Jahrgang 1967, ist einer der weltweit bekanntesten Graffiti-Künstler und gilt als Methusalem der deutschen Sprüher-Szene. Im Alter von 14 Jahren griff er das erste Mal zur Dose - damals noch in der Allgäuer 12.000-Seelen-Gemeinde Buchloe. Wenig später zog er nach München, denn hier gibt es mehr Wände zu besprühen. Was Loomit mit sehr viel Erfolg macht - weshalb er beispielsweise den Schwabinger Künstlerpreis erhielt. Heute lebt er mit seiner Familie im Stadtteil Au.
Loomit, seit rund 23 Jahren zieren deine großformatigen Bilder unzählige Züge, Brücken und Wände. Du hast die Spühkunst sogar zum Beruf gemacht. Was fasziniert dich daran?
Die Graffiti-Malerei erlaubt es mir, ständig durch die Welt zu reisen: ich hab bereits in 27 Ländern gesprüht. Während dieser Reisen arbeite ich natürlich auf der Straße und bekomme dort tiefere Einblicke in fremde Kulturen als jeder gewöhnliche Tourist: Ich erlebe den Alltag der einfachen Menschen. Dadurch, dass ich im öffentlichen Raum sprühe, bringe ich ferner Kunst zu Menschen, die sonst nichts am Hut damit haben. Ich finde das spannend.
Wie reagieren die Passanten, denen du bei deiner Arbeit begegnest, auf deine Bilder?
Prompt und unvermittelt. Ich muss beim Sprühen permanent Rede und Antwort stehen - das erdet mich. Denn sollte mein Bild den Geschmack der Menschen überhaupt nicht treffen, dann sagen sie das sehr direkt. Ich kann dann kurzerhand ein neues Bild entwickeln. Freilich ist es generell wichtig, die jeweiligen Motive an die Umgebung anzupassen, sie sollten keine Fremdkörper sein. Ohnehin betrachte ich uns Graffiti-Maler als Volksmaler: Wir produzieren nicht für Galerien und Museen, unsere Bilder sind für jedermann sichtbar, viele sollten sich angesprochen fühlen. Meist ist es übrigens so, dass selbst die Leute, die uns zunächst skeptisch beäugen, begeistert sind, wenn sie das fertige Bild sehen.
Du verschönerst nicht nur die Wände ferner Länder: auch und vor allem in München gibt es viele deiner Werke zu sehen, du hast beispielsweise die Unterführung der Ludwigsbrücke bemalt. Beschreibe kurz die Graffiti-Szene deiner Heimatstadt!
Es ist die älteste Graffiti-Szene in Deutschland, sie ist selbst im Vergleich zur Berliner oder der Pariser Szene sehr groß - und qualitativ müssen wir uns auch nicht verstecken! Ein Indiz hierfür ist, dass viele weltweit bedeutende Künstler in München gemalt haben - und regelmäßig wiederkommen, damit wir gemeinsam Neues entwickeln. Zudem haben wir in der Stadt viele Freiflächen zur Verfügung, das ist ein Luxus! Und die hiesigen Medien behandeln uns fair: Sie schimpfen zwar über die Schäden, die Graffiti-Sprüher anrichten. Aber sie loben auch die geglückten Bilder.
Leider gibt es viele Jugendliche, die mit wüsten Schmierereien großen Schaden anrichten. Ein Problem für den Ruf der Szene?
Natürlich. Obwohl ich weiß, was in den Jugendlichen vorgeht, die solche Schmierereien hinterlassen: Sie wollen Spaß haben - oder sind frustriert. Sie wollen ihren Namen auf allen Wänden der Stadt lesen; was für sie zählt, ist Produktivität, Quantität. Manche begreifen sich auch als Gegenbewegung zur Konsumwelt und sehen nicht ein, warum an jeder Wand Werbung prangen darf - sie aber keine Bilder malen dürfen.
Was willst du mit deiner Kunst erreichen - hast du ein bestimmtes Ziel, eine bestimmte Wand, die du bemalen willst?
Ich bin ein Mensch, der ausschließlich in der Gegenwart lebt. Ich habe nie Ansprüche an die Zukunft gestellt, mir keine Ziele gesetzt. Für mich ist das nächste Bild das interessanteste. Für die Stadt hoffe ich, dass es mir gelingt, weiterhin gute Künstler zu holen: Wir haben vor Ort eine Galerie mit Werken von Top-Sprühern aus Australien, Rumänien, Brasilien - und so fort. Aber im Grunde nehme ich wirklich alles, wie es kommt. Ich wusste auch während der vergangenen 23 Jahre nie, wie sich Graffiti entwickeln würde...
Wie hat es sich denn entwickelt?
Es ist riesengroß geworden. Die Künstler sind weltweit vernetzt. Das Internet hilft, miteinander in Verbindung zu treten. Auf einigen Seiten finden sich Sammlungen aller bedeutenden Websites internationaler Graffiti-Künstler. Inzwischen wird bis zum hintersten Winkel der Erde zur Dose gegriffen - selbst in Afrika gibt es Sprüher. Und mittlerweile wurden Computerspiele entwickelt, deren Charaktere Kollegen von mir nachempfunden sind. Ich finde es lustig, dass die Kids das durchspielen. Aber ich hoffe, sie bleiben letztlich nicht vor dem Computer hängen, sondern gehen irgendwann raus und malen Wände an - auf der ganzen Welt.
Du bist verheiratet, hast zwei Kinder - deine Familie lebt von deiner Graffiti-Kunst. Wie würdest du reagieren, wenn dein Sohn verkündet, dass er jetzt auch Sprüher werden will?
Das fände ich erst dann in Ordnung, wenn ihm eine Gasmaske aufs Gesicht passt - und wenn er sich mit der rechtlichen Situation auseinandergesetzt hat. Er muss sich bewusst sein, welche Folgen Graffiti-Malen haben kann - für seine Gesundheit und strafrechtlicher Natur.
Interview: Nadine Nöhmaier von "Die Färberei" München.
Ich arbeite schon seit Jahren auf Holzbrettern und Leinwänden. Hier kann ich verschiedene Techniken und Spraymaterialien vereinen. Bevorzugt male ich Styles - also Schriftzüge, denen ich ein Eigenleben einhauche.
Was beachtest Du bei der Auswahl Deines Werkzeugs?
Bei Spraydosen lege ich Wert darauf, dass die Farbe gut deckt und lichtbeständig ist.
Zu den Spraydosen kommen noch verschiedenartige Caps (Sprühventile), die breite und schmale Farbnebel erzeugen. Damit lassen sich Flächen schnell ausfüllen oder schmale Outlines ziehen.
Eine besondere Gewichtung kommt der Ausrüstung zu. Ich trage beim Arbeiten immer Handschuhe und eine Atemschutzmaske. Diese sollte mit Luftfiltern ausgerüstet sein. Der Einsatz von Aktivkohlefilter richtet sich nach der jeweiligen Intensität der Arbeiten. Näheres lässt sich aus der Gebrauchsanweisung entnehmen. Wichtig ist nur die richtige Verwendung der Filtereinsätze. Sie dienen als Schutz vor Gesundheitsschäden der Atemwege.
Welche Überlegungen triffst Du vor dem Sprühen?
Die Leinwand sollte trocken, eben und staubfrei sein.
Eine farbliche Grundierung hebt das spätere Bild besser vom Untergrund ab.
Zunächst skizziere ich meine Idee. Einzelheiten lassen sich auf einem Entwurf vorausplanen. Hier lege ich grob die Farben, die Proportionen und den Stil fest.
Der Idee entsprechend habe ich mir die notwendigen Farben bereits gekauft und bereit gestellt. Auch eine Auswahl an Sprühventilen liegen griffbereit.
Wenn ich ein Bild in einem geschlossenen Raum male achte ich auf eine gute Belüftung der Räumlichkeiten. Ich male meine Bilder in meinem Atelier, das bereits entsprechend ausgerüstet ist.
Wie gehst Du beim Malen vor?
Nach der Grundierung lege ich mit einer hellen Sprühfarbe, die ich mit einem schmalen Sprühnebel aufbringe, die ersten Umrisse des Bildes fest.
Nach und nach male ich die Flächen aus, gestalte evtl. die Farbübergänge, Farbverläufe und Muster und schließe den Schriftzug mit einer kontrastreichen Outline ab. Nun bieten sich noch weitere Möglichkeiten der Ausgestaltung: 3-D-Effekt, Schatten, Lichteffekte etc.
Je nach der eigenen Übung und Fähigkeiten lassen sich die Schriftzüge auch noch mit Figuren schmücken. Auch diese werden schichtweise und Schritt für Schritt gemalt.
Abschließend möchte ich jedem Sprayer noch auf seinem Weg mitgeben, dass sich große Graffitis nicht von einer auf die andere Stunde malen lassen. Graffiti verlangt neben den eigenen Fähigkeiten auch noch sehr viel Übung und ein großes Maß an Ausdauer.
© 08.11.2006 » erstellt von Die Färberei